Erschöpft im Leben
Burnout und Depression – die Volkskrankheiten Nummer Eins?
Der Begriff Burnout wurde 1974 von Herbert Freudenberger geprägt, um die chronische Erschöpfung von Menschen in helfenden Berufen zu charakterisieren. Heute wird der Begriff sehr oft als Synonym für seelische Krankheiten, ausgelöst durch Stress in unserer Arbeitswelt, benutzt. Mediziner*innen und Psycholog*innen sind sich nicht einig, ob bzw. wie Burnout von Depression klar abzugrenzen ist. Oft gilt Burnout lediglich als die gesellschaftlich leichter zu akzeptierende Variante der Depression. Bislang ist ein Burnout keine Diagnose, kann aber unter dem Kürzel „Z 73“ im ICD 10 mit „Problemen bei der Lebensbewältigung“ gefasst werden. Das Interesse am Burnout als Zeichen für unsere psychische Erschöpfung wächst und ist u.a. damit zu erklären, dass ungeheuer große Kosten auf unser Gesundheitssystem zu kommen, aber vor allem auch ökonomische Verluste für die Betriebe entstehen.
„Jedes Jahr 7000 Frührentner wegen psychischer Probleme“, „Jedes Jahr muss eine Kleinstadt in Frührente“, „Ausgebrannt und aussortiert“, „Steigende Zahl psychischer Erkrankungen“, so und ähnlich titelt die Presse, und nach einer neuen Studie der Krankenkasse Barmer GEK vom Juli 2011 “steigt die Zahl der Menschen, die mit psychischen Leiden wie Depressionen ins Krankenhaus kommen, stetig an. In den letzten 20 Jahren hat sich ihre Zahl mehr als verdoppelt.“ Auch die Anzahl der Menschen, die auf Grund psychischer Probleme vorzeitig in Rente gehen, hat sich verdoppelt. Psychische Erkrankungen als volkswirtschaftlicher Schaden!? „Durch Depressionen entstehen jährlich volkswirtschaftliche Schäden von 16 bis 22 Mrd. Euro …“, solche Daten alarmieren auch die Arbeitgeber*innen.
Die Bertelsmannstiftung hat unter dem Titel „ Die erschöpfte Arbeitswelt. Durch eine Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie, Kreativität, Wohlbefinden und Erfolg“ eine Studie veröffentlich, die sich mit dem Thema psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz beschäftigt.
Unsere Arbeitswelt hat sich verändert, verdichtet und die Entwicklung geht zu immer mehr „Kopfarbeit“ statt körperlicher Arbeit, so dass eine auch eine andere Gesundheitsfürsorge benötigt wird. Unsere Arbeitssituation ist heute überwiegend gekennzeichnet: durch eine zunehmende Informationsflut, die es zu bewältigen gilt, uneingeschränkte Erreichbarkeit mit Hilfe neuer Technologien und damit auch implizit der Anspruch, diese so zu leben, fehlende Abgrenzung zwischen privater und beruflicher Zeit, durch Anforderungen an Kreativität, Flexibilität und ein hohes Engagement sowie Verantwortungsgefühl, Identifikation mit der Firma……. „Yes, we can do“ alles, überall und sofort.
Wenn Britta Hölzel, Psychologin am Massachusetts General Hospital, betont: „Multitasking ist das Gegenteil von Achtsamkeit“, dann hieße das im Rahmen der gewünschten „Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie“ doch wohl einschneidende Veränderungen in Bezug auf die Ansprüche der Arbeitgeber*innen an ihre Mitarbeiter*innen.
Wer ist also für die „Bearbeitung und Heilung“ unseres Burnouts verantwortlich? Zeitonline fragt demgemäß: “Und von der ‚Volkskrankheit Burnout’ sprachen gar die Frankfurter Rundschau, Bild und Spiegel. Letzterer mit dem symptomatischen Nachsatz: ‚Wie Erschöpfung die Volkswirtschaft schwächt.’ Der Satz offenbart die Schieflage, in der sich die gegenwärtige Diskussion befindet. Der Mensch als ökonomischer Störfall, und nicht etwa: ‚Wie die Volkswirtschaft den Menschen erschöpft.’“
Wenn heute drei Menschen die Arbeit machen müssen, die früher fünf gemacht haben, geht es um Arbeitsverdichtung aus profitablen Überlegungen und nicht um fehlendes Work-Life-Balance Management. Wichtig wäre es, die Verantwortung für die psychische Erschöpfung nicht zu individualisieren, sondern sie als gesellschaftlich bedingt zu begreifen und entsprechend gesellschaftlich, innerbetrieblich und individuell heilend zu wirken.
In unsere Beratungsstelle kommen Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Berufen mit dem Phänomen der Erschöpfung und des „Ausgebrannt-Seins“. Unser Anspruch ist dabei, den Menschen aufgrund ihrer individuellen Lebensgeschichte zu helfen, bei sich Verhaltensweisen und Haltungen zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen mit Stress besser umzugehen, sich klarer im Beruf abgrenzen zu können und ein besseres Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben zu erreichen. Dieses kann nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn zugleich die Arbeitsstrukturen verändert werden.
Geschrieben von:
Karin Böttcher
Gestalttherapeutin
Soz. M.A.